Silbernetz – Einfach mal reden

Chronische Einsamkeit hat ähnliche Auswirkungen auf den Körper wie starkes Übergewicht oder das tägliche Rauchen von 15 Zigaretten, haben wissenschaftliche Studien gezeigt. Einsamkeit schwächt das Immunsystem und erhöht die Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen und Demenz.
Nicht verwunderlich, sind Menschen doch Herdentiere und nicht für die Einsamkeit gemacht. Schade also, dass es Silbernetz braucht und umso besser, dass es sie gibt. Was macht Silbernetz genau und wie können wir gegen Einsamkeit im Alter vorgehen? Lies schnell weiter.

Herzlich Willkommen André,
schön, dass du dich ins Spotlight bei uns setzt. 2023 hast du die Leitung bei Silbernetz übernommen. Erklär uns doch mal, worum es bei Silbernetz geht.

Hallo. Vielen Dank, dass ich mich im Spotlight bei WETELL vorstellen darf!
Bei Silbernetz geht es ganz einfach darum, miteinander zu reden. Wir bieten ein kostenloses Gesprächsangebot via Telefon an. Wenn ältere Menschen das Bedürfnis haben sich mit jemanden zu unterhalten, können sie uns jeden Tag zwischen 8 und 22 Uhr anrufen. Wir nehmen uns dann 20 Minuten pro Anrufer*in Zeit, um ein einfaches Gespräch zu führen.

Angefangen hat alles vor ca. 10 Jahren, als unsere Initiatorin Elke Schilling mit der traurigen Situation konfrontiert war, dass ihr Nachbar verstarb und es erst nach vielen Tagen durch Frau Schilling aufgefallen ist. Das war für Frau Schilling das Initial sich mit dem Thema „Einsame ältere Menschen“ und Strategien dagegen zu beschäftigen. Nach weiteren 5 Jahren wurde dann Silbernetz e.V. gegründet und bietet seither diesen kostenlosen Service an.

Der Booster für unser Angebot war die Pandemie. In dieser Zeit sind wir von einem kleinen Berliner Angebot zu einem bundesweiten Service gewachsen.

Interessant.
Ihr habt in den letzten 5 Jahren ca. 500.000 Anrufe entgegengenommen. Das sind ca. 250 Anrufe pro Tag, richtig?
Wie kommt es dazu, dass so viele Menschen den Bedarf haben mit jemandem zu reden? Was denkst du?

Ja, das sind beeindruckende Zahlen, nicht wahr? Die Frage kann ich nur aus meiner eigenen Perspektive beantworten. Ich glaube einfach, dass wir in unserer aktuellen Gesellschaftsform dazu neigen, Kontakte nur zu pflegen, wenn wir die Zeit dazu haben. Das fällt nicht so auf, wenn man arbeiten geht. Viele kennen vielleicht das Gefühl, nach der Arbeit seine Ruhe haben zu wollen. Auf einmal ist man im Rentenalter und hat „verpasst“ andere soziale Aktivitäten wie Familie, Hobbys und dergleichen nachhaltig zu betreiben.
Es können aber auch andere Umstände zur Einsamkeit beitragen bspw. der Verlust einer/s Lebensgefährt*in oder eine lange chronische Krankheit.
Es gibt auch die Theorie, dass einsame Eltern einsame Kinder erzeugen. Am Ende ist es aus meiner Sicht immer eine sehr individuelle Gemengelage, die zur Einsamkeit führen kann.

Einfach mal sprechen – nicht für alle selbstverständlich.

Höchstwahrscheinlich gibt es hier eine Riesendunkelziffer. Menschen, die sich nicht trauen anzurufen, oder schlicht nicht wissen, wohin sie sich wenden sollen.
Was kannst du diesen Menschen, und auch den Menschen in deren Umfeld, mitgeben?

Telefon – 08004708090

Liebe Leute, interessiert euch für einander! Wenn der Nachbar nicht mehr regelmäßig zu sehen ist, einfach mal nachfragen. Das Gleiche gilt, wenn deutlich zu erkennen ist, dass sich ein Mensch im Umfeld stark verändert oder zurückgezogen hat.

Euer Service hat mit Sicherheit Hochkonjunktur an Feiertagen, Wochenenden, Zeiten zu denen man Probleme hat Mitarbeitende und Freiwillige zu aktivieren.
Wie löst ihr dieses Problem?

Wir fangen rechtzeitig mit dem „Recruiting“ bei unseren Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen an. Wir starten mit der Schichtplanung bereits im August. Wir haben eher weniger Probleme Menschen zu motivieren. Es ist eher die Anzahl der Unterstützer*innen, die wachsen könnte.

Im GenerationenTandem verbindet Silbernetz Ältere Menschen mit jüngeren Menschen zum Gespräch.

Ein Statement auf eurer Website hat mit mir resoniert:
„Mir fehlt einfach jemand zum Reden. Dafür hat ja heute niemand mehr Zeit. Alles muss schnell gehen, ob im Laden, in der Apotheke oder beim Arzt …“
Ich bin schnell dabei, das auf die Gesellschaft im Allgemeinen zu projizieren: „Man hat zu wenig Zeit, schaut immer nur aufs Handy, und so weiter und so weiter.“
Wie siehst du denn das?

Zeitmanagement oder Work-Life-Balance sind so merkwürdige Wörter, die diesen Umstand so gerne umschreiben. Ich sehe es so, dass es eine Entscheidung ist, ob sich jemand Zeit nimmt oder nicht. Ich glaube nicht daran, das Geräte oder Termine daran schuld sind, wie bzw. ob ich mich sozial verhalte.

„Chronische Einsamkeit hat ähnliche Auswirkungen auf den Körper wie starkes Übergewicht oder das tägliche Rauchen von 15 Zigaretten, haben wissenschaftliche Studien gezeigt.“
Auch von eurer Website.
Gibt es denn Tipps, wie man Menschen, die unter chronischer Einsamkeit leiden, erkennen kann und ihnen helfen kann?
Ich könnte mir vorstellen, dass einsame Menschen ja nicht komplett alleine sind, sondern sich einsam fühlen, egal, ob sie unter Menschen sind oder nicht.

Es gibt kein Rezept, welches für alle gleich wirksam ist. Ich denke eine regelmäßige und niederschwellige Möglichkeit in Kontakt zu kommen, ist der beste Ansatz.

Zum Beispiel, kann man immer die Nachbarn einladen zum Hoffest oder zum Geburtstag. Auch wenn sie nicht vorbeikommen, kann man doch an einem anderen Tag daran anknüpfen und darüber sprechen.

Ganz wichtig finde ich, dass man die Einsamkeit von Menschen nicht persönlich nimmt und offenbleibt.

Eine konstante Ansprechbarkeit und Angebote zur Teilhabe sind der Schlüssel und vor allem sollte man nicht darauf warten, dass ein einsamer Mensch uns anspricht. Wir sollten angenehme Kommunikationsmöglichkeiten schaffen. Ein Zwinkern, ein Winken, mal eine Aufmerksamkeit im Briefkasten. Wir sollten unsere Köpfe und Hände benutzen, ich bin mir sicher uns allen fällt da etwas ein.

Mal richtig schön ins Blaue geträumt: Wo siehst du Silbernetz in 5-10 Jahren? Welchen Meilenstein würdest du gerne erreichen?

Fluch und Segen zugleich sind meine Ambitionen. Ich möchte mit Silbernetz das bekannteste bundesweite Angebot gegen Einsamkeit sein. Silbernetz soll als nationale Bewegung Druck auf Politik und Gesellschaft ausüben, um das Thema der gerechten Behandlung älterer Menschen und zur Befähigung für die Verminderung von Einsamkeit beiträgt.

Frei von der Leber weg. Was möchtest du noch loswerden? Philosophisches, Weltschmerz, alles ist erlaubt.

Spendet für Silbernetz! Seit nett zueinander, interessiert Euch füreinander!

Vielen lieben Dank dir André. Und liebe Grüße an alle Silbernetz Helfer.